„Die Kassierer“ aus Bochum-Wattenscheid, nicht als Fußballfans bekannt, haben eine Hymne für die SG 09 aufgenommen. Gehört das für eine Punkband im Pott einfach dazu?Fisch (Lokalmatadore, S04): Nein, soweit ich weiß, haben zum Beispiel die „Dödelsäcke“ bis heute keine Fußballplatte gemacht.Spiller (Emscherkurve 77, RWO): Es ist eher umgekehrt. Du kriegst Probleme deswegen. Wir sind irgendwann auf die RWO-Songs reduziert worden und wurden nicht mehr gebucht.Fisch: Wenn wir uns jetzt plötzlich mit Schalke zurückhalten würden, würde uns das allerdings keiner mehr abnehmen. Spiller: Ihr seid aber auch die einzige Band, die sich das überall erlauben kann. Selbst wenn ihr im Osten spielt, gibt’s dort immer noch ein paar Schalker. Wenn wir dahin kommen, fragen die uns erstmal: „Oberhausen? Ist das bei Augsburg?“Blüm (Lokalmatadore, S04): Stimmt, ein Schalke-Stück spielen wir immer, egal wo.Spiller: Wir spielen unsere RWO-Hymne schon ewig nicht mehr live. Oberhausen ist aber auch nicht so der Punkrockverein …Blüm: … aber Gelsenkirchen ist natürlich purer Punkrock! (Lacht.)
„Dörpms“ ist die historische Bezeichnung für Dortmunder. Wie wichtig ist der BVB für eure Band?Andre (Dörpms, BVB): Wir haben uns im Stadion kennengelernt. Und ein Lied hat unser Fanklub in der Kurve erfunden: „Wir haben keinen Ronaldinho, wir brauchen keinen Becks. Wir haben Florian Kringe – der Fette mit der Sechs.“ Wir wollten ihn gegenüber den anderen Fans verteidigen. Kringe war nicht mit allzu großem Talent gesegnet. Er hat sich aber immer den Arsch aufgerissen. Phil (Dörpms, BVB): Wir versuchen in unseren Texten das ganze Spektrum unseres Lebens abzubilden. Dazu gehört eben auch, dass wir alle zwei Wochen auswärts fahren.Blüm: Wie, ihr kriegt noch Auswärtskarten beim BVB?Fisch: Herzlichen Glückwunsch!Blüm: Mich nervt es furchtbar, dass die Ultras inzwischen alle Fäden in der Hand haben. Vor zehn Jahren war das noch kein Problem. Da bist du sogar ohne Karten hingefahren. Heute ist das alles straff organisiert. Die Ultras machen zu viel Politik und versuchen, den Klub für sich zu vereinnahmen.Andre: Ja, das ist inzwischen schon ein bisschen wie in Ost- oder Südeuropa. Es ist bedauerlich, dass die Ultras immer mehr Einfluss gewinnen. Und dass die Klubs klein beigeben.
Wie habt ihr dort, wo ein Straßenbahn-Derby das nächste jagt, euren Klub gefunden?Fisch: Ich bin in einer Gegend groß geworden, wo es eine Überlebensstrategie war, Schalker zu sein. Da war die halbe Gelsenszene angesiedelt. Du wurdest gefragt: „Watt für’n Fan?“ Und da war es angeraten, das Richtige zu sagen. Schwarz-gelbe Schals hat man in Mülheim damals nie gesehen. Das ist eher so eine Modeerscheinung, seitdem Dortmund erfolgreich ist.Spiller: Ich bin erst 1986 aus dem Norden in den Pott gezogen, war vorher Fan von Atlas Delmenhorst und Werder Bremen. Und dann ist der RWO über mich gekommen.Fisch: Man sucht sich seinen Verein nicht aus. Es gibt nur zwei Klubs, die man sich aussucht: Bayern und St. Pauli. Bayern, weil man oben mitspielen will, und St. Pauli aus PC-Gründen.Spiller: Unser früherer Sänger war Bayern-Fan. Deswegen musste er die Band auch verlassen. (Lacht.)Daniel (Emscherkurve 77, RWO): Ich habe früher in Duisburg gewohnt und bin zum MSV gegangen. Den wahren Fußball habe ich erst in Oberhausen wiederentdeckt. Das Stadion ist eine Schüssel, anders als auf Schalke oder in Dortmund. Kein Komfort, kein Schickimicki.Blüm: Ja, klar, wir haben auf Schalke natürlich alle Sitzheizung und Massagestühle. Daniel: Ihr lacht! Für mich verkörpert das Stadion Niederrhein den alten Fußball, den ich immer so sehr gemocht habe. Es erinnert mich sehr an das alte Wedaustadion, das ja auch nicht überdacht war. Wenn es geregnet hat, bist du trotzdem hingegangen.
Könnt ihr diese Sehnsucht nach der guten, alten Zeit auf Schalke oder in Dortmund überhaupt verstehen?Blüm: Ja, absolut. Das ist auch der Grund, warum wir inzwischen zusätzlich zum VfB Speldorf gehen. Wir singen sogar davon: „Speldorf ist der geilste Klub der Welt.“Phil: Und wir sind bei der Borussia ja fast ein wenig neidisch auf RWO. Mal wieder ein Jahr in der zweiten Liga wäre ganz nett, damit sich die Spreu vom Weizen trennt. Andre: Es herrscht ein unglaublicher Hype, am meisten nerven die Touristen. Ich wohne in der Innenstadt. Wenn man vier Stunden vor dem Spiel einkaufen geht, wird man im schwäbischen Dialekt nach dem Weg zum Stadion gefragt. Ich zeige dann auf die Brauerei mit dem U auf dem Dach und sage: „Da ist schon mal die U‑Bahn-Station.“Phil: Die höchste U‑Bahn-Station der Welt!Fisch: Früher war auch eine andere Stimmung in den Stadien. Wenn einer angefangen hat, etwas zu singen, hat sich das durch den ganzen Block verbreitet. Heute hast du nur den Typen mit dem Megafon und die ganzen Choreos. Die Ultras besitzen heute leider das Stimmungsmonopol.Blüm: Früher konntest du schon an den Gesängen hören, ob es Dortmund oder Schalke ist. Heute singen alle dieselben Lieder.Andre: Oder du hörst gar keine Gesänge. Wenn in der Halbzeit volle Kanne Chartmusik läuft, wird alles andere übertönt.